Atreju 2024 – Meloni ruft, Milei & Freunde kommen, Deutschland ist Synonym für Krise

Teil 2

hier können Sie nochmals den 1. Teil nachlesen

Auch sonst ist es bei Atreju sehr angenehm. Hier menschelt es neben und auch auf den Bühnen. Niemand repräsentiert das besser als Georgia Meloni. Die laut Politico nun mächtigste Person Europas – diese Zuschreibung wird bei Atreju häufig mit Stolz von anderen Rednern wiederholt – ist warm, emotional, nahbar. Man merkt: diese Frau liebt ihr Land und das hier und heute sind ihre Leute. Sie ist authentisch und keine PR-Puppe. Die Besucher verehrten sie mehrheitlich. Als sie am Samstagabend überraschend vor dem Gastauftritt des Ministerpräsidenten des Libanon, Nadschib Mikati, die Bühne betritt, tobt die Menge. „Georgia, Georgia, Georgia“ Rufe werden laut. Italienische Fahnen wehen. Was für ein Kontrast zu der Teflon-Kanzlerin Angela Merkel, die Herrn Kauder auf offener Bühne nach der Bundestagswahl 2013 eine einzelne Deutschland-Fahne peinlich entwendete und auch sonst kaum ein Gefühl von populärer Nahbarkeit aufkommen ließ. Nahbarkeit und Volkstümlichkeit, um einen aus der Mode geratenen Begriff zu verwenden, die für eine konservative Partei und die Bindung zur eigenen Basis unersetzlich sind. Atreju ist diese zur Institution gewordenen Bindung der Brüder Italiens.

Ach ja, um Politik ging es natürlich auch, auf den Bühnen und natürlich auch daneben.

Es zeigt sich, wie sich in den letzten Jahren die Machtverhältnisse in Italien geändert haben. Die Fratelli dominieren. Mateo Salvini von der einst stärkeren Lega schaltet sich immerhin online dazu. Er bekommt höflichen Applaus. Außenminister Antonio Tajani, ein Überbleibsel der Berlusconi-Ära, ebenfalls Koalitionspartner von Meloni und Vorsitzende der mit landesweit ca. 10% mittlerweile politisch ziemlich marginalisierten Forza-Italia, lobt die Führung von Meloni. Die Forza Italia sind Schwesterpartei der deutschen CDU/CSU in der Europäischen Volkspartei. Außergewöhnlich ist auch, dass hier der breite politische Diskurs lebt. Die Brandmauern oder der Cordon Sanitaire sind niedergerissen. In Italien regiert ein rechter Block. Im Vergleich zu seinen europäischen Nachbarn, besonders zu Frankreich und Deutschland, wirkt Italien zum ersten Mal nach langer Zeit politisch stabil. Man bleibt auch nicht nur „unter sich“, sondern diskutiert mit dem politischen Gegner auf offener Bühne. So sind Guiseppe Conte und Enrico Letta bei Atreju zu Gast. Es kommen auch Umwelt-NGOs zu Wort. Denen fliegen zwar die Sympathien des Publikums nicht gerade zu, aber sie dürfen ihre Punkte machen. Man hört Ihnen zu. Man unterstellt dem politischen Gegner scheinbar nicht, dass dieser den Untergang des Landes, ja der Zivilisation herbeiführen will. Für deutsche Ohren wirken selbst die vertretenen linken Politiker dabei recht patriotisch und genuin am Gelingen des Via Italiana interessiert. Es geht unheimlich zivilisiert zu in Rom. In Deutschland wäre das –  Stand heute – in dieser Form unverstellbar. Zu vergiftet erscheint der politische Diskurs. Deutschland spielt in Rom auf und neben den Bühnen dabei kaum eine Rolle. Meloni spricht von der Krise der deutschen Industrie, die auch Italien zu spüren bekommt. Die Energiepolitik wird als verfehlt und ideologisch beschrieben. Im Gespräch beim Vino an den Ständen empfinden viele Fratelli die deutsche Politik – vor allem repräsentiert von Merkel, von Ursula von der Leyen in Brüssel und auch von der Ampel –  als arrogant und nun auch gescheitert. Besonders die wegen ihren engen biographischen Verbindungen zu den NGOs der „Seenotretter“ im Mittelmeer in Italien bekannten Grünen erfahren offene Ablehnung. Gleichzeitig gibt es aber auch Worte der Ermutigung. Schließlich seien die Deutschen in der Mehrheit doch ein fleißiges, kluges und rechtschaffendes Volk, welches schon wieder auf den rechten Weg kommen wird, so hört der Besucher aus Deutschland und freut sich dabei ein wenig, bevor es aus der Sonne Roms wieder ins derzeit meteorologisch und auch politisch graue Deutschland zurückgeht.

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