Momentan hört man immer öfter die Forderung, die „Rente mit 63%“ abzuschaffen. Doch diese Forderung ist eine Scheinforderung und verschleiert den Blick auf das Wesentliche: Die großen Risiken, die durch andere Faktoren verursacht werden.
Daraus folgt: Die Rente mit 63 ist schon abgeschafft!
Tatsächlich geht es bei der gestellten Forderung um die Abschaffung der Rente mit 63 nämlich nicht um die „Rente mit 63“, sondern vielmehr um die Abschaffung der „Rente für besonders langjährige Versicherte“. Es geht um Menschen, die mindestens 45 Jahre lang in die Rentenkasse eingezahlt haben. Diese sollen nun länger arbeiten müssen bzw. Abschläge in Kauf nehmen müssen.
Eine Auskunft über die genaue Höhe des Sparpotentiales aus dieser Massnahme kann das Ministerium für Arbeit und Soziales bisher nicht beziffern. Darum habe ich im Anhang an dieser Stelle einmal nachgerechnet: Das Sparpotenzial bei der Abschaffung der Rente für besonders langjährige Versicherte ist eher marginal.
Wir beziffern die Einsparungen auf 23,7 Mrd. €. Diese kommen aber nicht auf einmal zustande, sondern verteilen sich über drei Jahre: im ersten Jahr 3,1 Mrd. €, im zweiten Jahr 8,9 Mrd. € und im dritten Jahr 11,7 Mrd. €. Das gesamte Sozialbudget inklusive Renten betrug 2022 1.178 Mrd. Euro. In Relation zu diesem Betrag ist die Einsparung also nur gering und betrifft nur diejenigen, die am längsten gearbeitet haben.
Wenn man sich also einen wirklichen Blick verschaffen will, muss man das gesamte Sozialbudget ins Auge fassen.
Und hier kann man insbesondere einen Blick auf die Beamtenpensionen werfen.
Die Pensionskasse als eigentlicher Kostentreiber
Untenstehende Grafik weist die Ausgaben des deutschen Staates für die Pensionen der Beamten auf. Diese steigen, wie auch die Rentenzahlungen beständig. 2023 auf 85,3 Mrd. €
So sind die Ausgaben allein in den Jahren seit 2018 um mehr rund 10 Mrd. € gestiegen. Und das, ohne dass Beamte in das System einzahlen.
Hauptursache ist der Anstieg der Beamtenzahlen in den letzten Jahren. Detailliert aufgeführt durch Tobias Hentze in einer Studie des IW Köln. Er bemerkt insbesondere: “Im Aufgabenbereich „politische Führung und zentrale Verwaltung“ ist auf allen Ebenen ein starker Stellenaufwuchs zu beobachten. Beim Bund stieg die Anzahl um 11.000 (32 Prozent), bei den Ländern um 28.000 (21 Prozent) und bei den Kommunen gar um 79.000 (27 Prozent).”
Gerade beispielhaft ist dabei die – letztlich gescheiterte – Forderung der Bundesfamilienministerin Lisa Paus von den Grünen, 5.000 neue Stellen zur Abwicklung der geplanten Kindergrundsicherung zu schaffen.
Der Mindestlohn als Kostentreiber
Ein weiterer Faktor für den starken Anstieg der Beamtenbesoldung und damit auch für den Anstieg der Pensionen sind die Erhöhungen des Mindestlohns von 9,50 € in 2021 auf 10,45 € im Juli 2022 bis hin zu 12,00 € im Oktober 2022. Dies wirkt sich direkt auf die Beamten-Besoldungstabelle aus. Laut Urteil des Bundesverfassungsgerichtes müssen Beamte in der untersten Besoldungsstufe mindestens 15% über der Grundsicherungsleistung verdienen. Wird also der Mindestlohn erhöht, werden auch sämtliche Besoldungsstufen für Beamte nach oben hin angepasst. Je höher also die Besoldungsstufe ist, desto größer fällt die Erhöhung aus.
Das Gleiche gilt in höheren Maßen auch für unsere Politiker. Die Erhöhung der Diäten richtet sich in der Hauptsache nach der Besoldungsstufe einfacher Richter bei einem obersten Gerichtshof des Bundes. Werden diese also erhöht – was nach einer Erhöhung des Mindestlohnes ja Pflicht ist, erhöhen sich dementsprechend auch die Diäten. Somit haben Politiker mindestens ein berechtigtes Interesse an einer Erhöhung des Mindestlohns.
Auch sind die Berechnungsgrundlagen für Rentner und Beamte grundverschieden. Während sich das Rentenniveau in Höhe von 48% auf das Lebensdurchschnittseinkommen eines Arbeitnehmers bezieht, liegen die Beamtenpensionen im Schnitt bei 66,9% des letzten – in der Regel also des höchsten – Gehalts. Ein Beamter kann nach 45 Dienstjahren in Vollzeit abschlagsfrei in Pension gehen.
Um effektiv in der Altersversorgung einzusparen, muss man nicht nach der Streichung der beitragsfreien Rente besonders langjähriger Versicherter rufen. Ein erster Schritt wäre schon getan, die im Staatsdienst Beschäftigten wieder auf ein gesundes Verhältnis zu den Gesamtarbeitnehmern zu bringen. Die Erhöhung der Anzahl politischer Beamte ist unbedingt zu beenden. Weiterhin ist über eine Reform der Pensionskassen nachzudenken, um den großen Betrag der beitragsfreien Leistungen zu reduzieren.
Anlage 1
Die Berechnung, die wir hierzu durchgeführt haben, ist wie folgt:
2023 sind von 952.658 Rentenneuzugängen 279.134 wegen besonders langjähriger Versicherung in Rente gegangen. Die Zahlen dürften sich wegen der oben genannten Altersanpassung aber eher rückläufig bewegen, auch wenn nun die geburtenstarken Jahrgänge langsam nachrücken. Die Durchschnittsrente für besonders langjährige Versicherte beträgt 1.543,- €. Da eine Streichung der Rente für besonders langjährig Versicherte das Renteneintrittsalter nur nach hinten verschiebt, würde eine sofortige Streichung beim derzeitigen Renteneintritt von 64 Jahren und 2 Monaten ein Sparpotenzial gegenüber dem Renteneintritt mit 67 in Höhe von 34 Monaten bedeuten. Der Einfachheit halber sei das betragsmäßige Sparpotential in folgender Tabelle berechnet.
Als gegeben wird angenommen:
2023 besonders langjährige Versicherte in Rente gegangen jährlich 279.000
2023 besonders langjährige Versicherte in Rente gegangen monatlich 23.250
Durchschnittsrente besonders langjährig Versicherte 1543,00 €
Anzahl Monate mit Einsparpotential 34
Monate | neue Rentner / Monat | Rentner Gesamt | Durchschnitts-rente | Durchschnitts-rente + SV-Anteil (11%) | monatliches Einsparpotential |
---|---|---|---|---|---|
1 | 23.250 | 23.250 | 1.543,00 | 1.713,00 | 39.827.250,00 |
2 | 23.250 | 46.500 | 1.543,00 | 1.713,00 | 79.654.500,00 |
3 | 23.250 | 69.750 | 1.543,00 | 1.713,00 | 119.481.750,00 |
4 | 23.250 | 93.000 | 1.543,00 | 1.713,00 | 159.309.000,00 |
5 | 23.250 | 116.250 | 1.543,00 | 1.713,00 | 199.136.250,00 |
6 | 23.250 | 139.500 | 1.543,00 | 1.713,00 | 238.963.500,00 |
7 | 23.250 | 162.750 | 1.543,00 | 1.713,00 | 278.790.750,00 |
8 | 23.250 | 186.000 | 1.543,00 | 1.713,00 | 318.618.000,00 |
9 | 23.250 | 209.250 | 1.543,00 | 1.713,00 | 358.445.250,00 |
10 | 23.250 | 232.500 | 1.543,00 | 1.713,00 | 398.272.500,00 |
11 | 23.250 | 255.750 | 1.543,00 | 1.713,00 | 438.099.750,00 |
12 | 23.250 | 279.000 | 1.543,00 | 1.713,00 | 477.927.000,00 |
13 | 23.250 | 302.250 | 1.543,00 | 1.713,00 | 517.754.250,00 |
14 | 23.250 | 325.500 | 1.543,00 | 1.713,00 | 557.581.500,00 |
15 | 23.250 | 348.750 | 1.543,00 | 1.713,00 | 597.408.750,00 |
16 | 23.250 | 372.000 | 1.543,00 | 1.713,00 | 637.236.000,00 |
17 | 23.250 | 395.250 | 1.543,00 | 1.713,00 | 677.063.250,00 |
18 | 23.250 | 418.500 | 1.543,00 | 1.713,00 | 716.890.500,00 |
19 | 23.250 | 441.750 | 1.543,00 | 1.713,00 | 756.717.750,00 |
20 | 23.250 | 465.000 | 1.543,00 | 1.713,00 | 796.545.000,00 |
21 | 23.250 | 488.250 | 1.543,00 | 1.713,00 | 836.372.250,00 |
22 | 23.250 | 511.500 | 1.543,00 | 1.713,00 | 876.199.500,00 |
23 | 23.250 | 534.750 | 1.543,00 | 1.713,00 | 916.026.750,00 |
24 | 23.250 | 558.000 | 1.543,00 | 1.713,00 | 955.854.000,00 |
25 | 23.250 | 581.250 | 1.543,00 | 1.713,00 | 995.681.250,00 |
26 | 23.250 | 604.500 | 1.543,00 | 1.713,00 | 1.035.508.500,00 |
27 | 23.250 | 627.750 | 1.543,00 | 1.713,00 | 1.075.335.750,00 |
28 | 23.250 | 651.000 | 1.543,00 | 1.713,00 | 1.115.163.000,00 |
29 | 23.250 | 674.250 | 1.543,00 | 1.713,00 | 1.154.990.250,00 |
30 | 23.250 | 697.500 | 1.543,00 | 1.713,00 | 1.194.817.500,00 |
31 | 23.250 | 720.750 | 1.543,00 | 1.713,00 | 1.234.644.750,00 |
32 | 23.250 | 744.000 | 1.543,00 | 1.713,00 | 1.274.472.000,00 |
33 | 23.250 | 767.250 | 1.543,00 | 1.713,00 | 1.314.299.250,00 |
34 | 23.250 | 790.500 | 1.543,00 | 1.713,00 | 1.354.126.500,00 |
Gesamteinsparpotential: | 23.697.213.750,0 |