Das neue Bundesdisziplinarrecht

Erwartungen, Befürchtungen, Gefahren – Missbrauch?

Hans-Georg Maaßen, ehemaliger Verfassungsschutzchef und heutiger Regierungskritiker – Anlass für das neue Bundesdisziplinarrecht?

Das Bundesdisziplinarrecht (in Form des Bundesdisziplinargesetzes, kurz BDG) ist kein Rechtsgebiet, das sehr in der Öffentlichkeit steht. An den Änderungen des BDG, die im November 2023 vom Parlament verabschiedet wurden, zeigt sich aber eine Tendenz, dem Staat größere Machtbefugnisse einzuräumen, ihn also de facto autoritärer zu machen. Dieser Weg in den autoritären Staat, den die Ampel geht, wird auch in anderen Gesetzesvorhaben beschritten, wie z.B. dem Demokratieförderungsgesetz oder dem Gesetz gegen Hass und Hetze. Und weil wir eine Tendenz erkennen, ist es sinnvoll, sich auch mit einem auf den ersten Blick kleinteiligen Rechtsgebiet zu befassen. Die Methode, die wir hier erkennen, ist die Nutzung von schwammigen Definitionen, verbunden mit dem Hang zur Beweislastumkehr.

Einleitung

Im Mittelalter hätte folgender Dialog stattfinden können:

Ankläger: „Du bist eine Hexe!“

Angeklagter: „NEIN!“

Ankläger: „Beweise es!“

Nun sind wir zwar nicht mehr im Mittelalter, aber dieser Dialog ist in abgewandelter Form nicht ganz unwahrscheinlich. Zumindest wenn es Amtsstuben betrifft.

Schuld daran ist die Änderung des BDG, das am 1. April 2024 in Kraft getreten ist. Die Änderungen wurden am 22. Dezember 2023 im Bundesgesetzblatt[1] veröffentlicht.

Das Bundesinnenministerium (geführt von Juristin Nancy Faeser) hat ein wirkungsvolles, aber gefährliches Werkzeug geschaffen, um Verfassungsfeinde oder vermeintliche Verfassungsfeinde schneller aus dem Beamtenverhältnis entlassen zu können. Wer aber definiert, was Verfassungsfeinde sind und wie sie sich äußern müssen, um als solche erkannt zu werden? Dazu später mehr.

Vom Bundesdisziplinarrecht und damit auch von den Änderungen betroffen sind alle aktiven Bundesbeamten (ca. 195.000) sowie alle Ruhestandsbeamten (ca. 589.000, inklusive Post- und Bahn). Auf Soldaten und Angestellte im öffentlichen Dienst ist das Recht nicht anzuwenden, ebenso nicht auf Beamte in Ländern und Kommunen.

Anforderungen an Beamte

Zu den unbestrittenen Vorteilen einer nahezu unkündbaren Stellung im Beamtentum und einem auch im Alter gesicherten Einkommen gehen auch „Nachteile“ einher:

  • Mäßigungsgebot, im Dienst genauso wie selbstverständlich auch außer Dienst,
  • Treue zum Dienstherrn und
  • Verfassungstreue, auch Bekenntnis zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung (FDGO) bezeichnet.

Bundesbeamte haben sich gemäß § 60 I Satz 3 BBG zur FDGO zu bekennen – eine Selbstverständlichkeit für alle Staatsdiener. Die schuldhafte Verletzung einer der zahlreichen Verpflichtungen aus dem Beamtenverhältnis stellt ein Dienstvergehen dar, das disziplinarrechtlich geahndet werden kann. Auch für Verfehlungen außerhalb des Amtes, also in der Freizeit, können Beamte disziplinarrechtlich belangt werden.

Disziplinarrechtliche Sanktionen

Obwohl es keine Änderungen an den potentiellen Sanktionen gibt (- Gehaltskürzungen, Degradierungen – wie auch die Entfernung aus dem Dienst bei schwerwiegenden Dienstvergehen oder Verurteilung aufgrund begangener Straftaten gab es früher schon), ist ein scheinbar kleines Detail doch von großer Bedeutung.

Neu ist nämlich, dass die Entfernung aus dem Dienst nicht mehr nach einem langwierigen Gerichtsverfahren, in dem der Dienstherr die Beweislast zu tragen hatte, erfolgt. Vielmehr genügt nun eine behördeninterne Verfügung (ein so genannter Verwaltungsakt in Form einer Disziplinarverfügung). Die entlassenen Beamten müssen im schlimmsten Fall den Rechtsweg bestreiten, sich „rein klagen“ und bei dieser Gelegenheit den Nachweis erbringen, verfassungstreu zu sein. Dies kann ohne Zögern als Beweislastumkehr bezeichnet werden.

Verfassungsfeinde, Delegitimation des Staates

Was genau sind jetzt eigentlich Verfassungsfeinde, insbesondere solche im Staatsdienst? Betrachtet man die Äußerung der Ministerin oder des Präsidenten des Bundesamtes für Verfassungsschutz Thomas Haldenwang, wird klar, wo die Reise hingeht:  Äußerungen unterhalb der Strafbarkeitsgrenze können, so Haldenwang, bereits staatswohlgefährdend sein.[2]

Immer wieder ist zu lesen, dass Beamte nicht in der teilweise als gesichert rechtsextrem eingestuften AfD Mitglied sein können (oder sollen oder dürfen). Nun, –diese Partei ist nicht verboten. Hier wird politischer Druck ausgeübt und umgesetzt – das meint Haldenwang also mit: “unterhalb der Strafbarkeitsgrenze zu verfolgen”?

Was passiert mit Beamten, die ihren dienstlichen Auftrag erfüllen, aber Meinungen entgegen der Regierungslinie vertreten und diese gar an die Öffentlichkeit bringen? Der aus der Corona-Zeit bekannte Stephan Kohn[3] wurde nicht nur mundtot gemacht, sondern muss um seine Pension fürchten. Er hatte zu Seehofers Zeiten gewagt, auf mögliche Kollateralschäden bei Corona-Maßnahmen hinzuweisen und dies außerhalb des Bundesinnenministeriums auch kommuniziert.

Auch bekannt, aber mit weniger dramatischen Folgen ist die „Causa Schönbohm“. Jörg Schönbohm, ehemals Präsident des „Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik“, vielen als BSI bekannt, wurde nach einer Sendung im öffentlichen-rechtlichen Rundfunk von Faeser zunächst freigestellt. Die erlogenen Vorwürfe konnten glücklicherweise nicht bestätigt werden, so dass Schönbohm „nur“ versetzt wurde.

Der Verfassungsschutz hatte in der Corona-Zeit sogar eine neue Kategorie eingeführt: Delegitimation des Staates[4]. Zu finden sind in dieser Kategorie mutmaßlich Leute, die mit der Corona-Politik der Regierung nicht einverstanden waren und dies öffentlich und mit Nachdruck geäußert hatten. Schnell wird daraus Verfassungsfeindlichkeit, insbesondere wenn die durchaus drastischen, totalitär anmutenden Maßnahmen als „Corona-Diktatur“ oder „Gesundheitsdiktatur“ bezeichnet werden

Wie sagte Haldenwang?

„Es ist der gesetzliche Auftrag des Bundesamtes für Verfassungsschutz genau dort hinzusehen, wo (…) aus Skepsis gegenüber dem Verfassungsstaat seine Bekämpfung wird.“

Wie oben bemerkt, ist alles eine Frage der Definition – mit einer Neudefinition wird der Druck erhöht, „abweichende“ Meinungen eben nicht mehr zu äußern. Reicht am Ende schon die Forderung: „Die Ampel muss weg”, um als Verfassungsfeind zu gelten?

Erwartungen, aber auch Befürchtungen

Die Forderung, Radikale, Rassisten, Reichsbürger und Extremisten sowie verurteilte Straftäter aus dem Staatsdienst zu entfernen, findet auch die Zustimmung des Vereins. Von allen Beamten ist Verfassungstreue, die Bekenntnis zur freiheitlich demokratischen Grundordnung zu erwarten.

Es ist aber anzunehmen, dass viele Beamte sich allein wegen der drohenden Gefahr einer Entlassung mit Kritik an der Regierung zurückhalten und untertänig ihre Aufgaben erledigen. Ebenso ist zu befürchten, dass Beamte von ihrem Recht, eigentlich sogar ihrer Pflicht (!) auf Remonstration keinen Gebrauch machen werden. D.h., möglicherweise rechtswidrige Anordnungen der Vorgesetzten, vielleicht sogar Ministern, werden ausgeführt, nur um nicht in den Verdacht zu kommen, Verfassungsfeind zu sein.

Außerhalb der Verwaltungsgerichtsbarkeit besteht Hoffnung, dass die Justiz dem Versuch, die Meinungsfreiheit einzuschränken, einen Riegel vorschiebt: Schmähplakate gegenüber den Grünen[5] sind von der Meinungsfreiheit gedeckt, ebenso stehen kritische Meinungsäußerungen des Journalisten Reichelt im Einklang mit der Verfassung.

Ungeachtet der zulässigen Meinungsäußerungen außerhalb des Beamtenapparates haben sich Staatsdiener dennoch zu mäßigen. Es bleibt spannend, wie sich die Rechtsprechung bei den Verwaltungsgerichten entwickeln wird.

Fazit

Verfassungsfeinde haben im Staatsdienst absolut nichts verloren. Sie gehören zu Recht aus dem Beamtenverhältnis entfernt.

Um Missbrauch auszuschließen, fordern wir vom Innenministerium genaue Erläuterungen, inwiefern sich Beamtinnen und Beamte äußern dürfen. „Mäßigungsgebot“ und „Treuepflicht“ sind zwei unbestimmte Rechtsbegriffe, die zu viel Auslegungsspielraum zulassen.

Berechtigte Kritik an der Regierung muss genauso erlaubt sein wie die Mitgliedschaft in einer nicht verbotenen Partei.

Mit Sorge sehen wir den immer unentspannteren Umgang mit Kritik an den Herrschenden. Ist das der Weg, den unsere liberale Demokratie einschlagen will? 


[1] BGBl Teil I Nr. 389

[2] https://www.nordkurier.de/politik/regierungs-attacken-auf-die-meinungsfreiheit-2288755 [u.a.]

[3] https://www.nzz.ch/international/corona-fehlalarm-seehofer-suspendiert-beamten-wegen-analyse-ld.1556583

[4] https://www.verfassungsschutz.de/DE/themen/verfassungsschutzrelevante-delegitimierung-des-staates/verfassungsschutzrelevante-delegitimierung-des-staates_node.html

[5] https://www.br.de/nachrichten/bayern/schmaehplakate-gegen-gruenen-politiker-unternehmer-freigesprochen,U7f4y0o

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