Am 4. September fand im Rahmen des monatlichen Online BFA-Stammtischs ein Vortrag zum Thema „Die Wirkung der Sanktionen gegen Russland“ statt. Der Referent, Prof. Dr. Rudolf Schröder, beleuchtete auf der Basis privater Eindrücke in St. Petersburg und Kaliningrad, wie sich das Leben in Russland trotz westlicher Sanktionen entwickelt und welche praktischen Herausforderungen für Einheimische und Touristen bestehen.
Für den BFA ist es wichtig, gerade bei politisch heiklen Themen, Informationen aus erster Hand zur Verfügung zu stellen. Zu oft ist es leider der Fall, dass gerade in den öffentlich-rechtlichen Medien in Deutschland das „Framing Manual“ Überhand genommen und die Berichterstattung über Tatsachen verdrängt hat.
Im Folgenden die wesentlichen Erkenntnisse des Stammtisches. Wir danken dem Referenten für seinen Beitrag.
Anreise nach Russland: Hindernisse und Lösungen
Wer heute aus der EU nach Russland reisen möchte, stößt auf einige Hürden, weil es keine Direktflüge mehr gibt. Eine Möglichkeit besteht darin, mit dem Auto bis nach Kaliningrad zu fahren und von dort aus mit dem Flugzeug weiterzureisen. Der innerstaatliche Flugverkehr in Russland funktioniert weiterhin, wenngleich er aufgrund der Sanktionen nicht mehr stattfinden sollte. Möglich ist auch die Einreise auf dem Landweg über die baltischen Staaten. Alternativ bieten sich Flüge über Istanbul an. Diese Variante ist am teuersten, aber auch am komfortabelsten, insbesondere mit Blick auf die Grenzkontrollen. Interessanterweise sind es bei den Grenzkontrollen auf dem Landweg nicht die russischen Behörden, die Probleme bereiten, sondern die Einschränkungen von westlicher Seite. Neuerdings ist es außerdem möglich, dass russische Visum digital zu beantragen, was den Aufwand deutlich reduziert.
Kommunikation und Zahlungssysteme
Telefonieren gestaltet sich aufgrund des fehlenden Roamings bei zahlreichen westlichen Providern als teuer, aber mit einer russischen Mobilfunkkarte lässt sich dieses Problem lösen. Die Verfügbarkeit mobiler Daten auf dem Smartphone ist u. a. wichtig, um Yandex (die russische Alternative zu Uber) und Google Translator zu nutzen. Wegen Corona und dem Ukraine-Krieg haben zahlreiche russische Menschen seit Jahren nicht mehr deutsch oder englisch gesprochen und deshalb verlernt, weshalb mittlerweile auch in den Großstädten russische Sprachkenntnisse oder der Google Translator unverzichtbar sind.
Auch in Russland wird zunehmend digital bezahlt – das Bargeld ist auf dem Rückzug. Westliche Kreditkarten können nicht zum Bezahlen verwendet werden. Die Banken arbeiten normal; Euro-Scheine können problemlos gewechselt werden. Bei der Bezahlung mit Bargeld ist zu beachten, dass Geldscheine mit einem Wert von 5.000 Rubel (ca. 50,– Euro) oftmals nicht mehr gewechselt werden können.
Wirtschaft und Alltag in Russland 2024
Trotz der Sanktionen geht das Leben in Russland weiter. Der Krieg ist im Straßenbild durch Plakate zur Anwerbung von Soldaten präsent. In Städten wie St. Petersburg läuft der Alltag geordnet und ruhig ab. Im Vergleich zu den Zentren zahlreicher deutscher Großstädte kann man sich nachts in St. Petersburg mit deutlich weniger Sorgen um die eigene Sicherheit bewegen. Supermärkte und Drogerien sind gut gefüllt, oft mit Produkten westlicher Marken (Nestle, Nivea, Gilette usw.). Auch die Shopping-Malls sind voll mit westlichen Geschäften (z. B. Burger King, Swarowski, New Yorker, Decathlon, Samsung, Apple). Das Straßenbild wird zunehmend von chinesischen Autos (u. a. Hongqi, Chery, Haval, Geely, Changan, Zeekr, Changan, Omoda, Exceed) mit Benzinmotor dominiert, die hinsichtlich von Design und Technik mittlerweile auf Augenhöhe zu westlichen Anbietern, aber deutlich günstiger sind. Für deutsche und europäische Autohersteller dürfte es sehr schwierig werden, in diesem Markt wieder Fuß zu fassen.
Politik, Militär und der 9. Mai
Die russische Regierung hat die Zwangsrekrutierung von Soldaten deutlich reduziert. Vielmehr bietet sie Soldaten Anreize wie eine Zahlung von 20.000 Euro für ein Jahr Kriegsdienst, welche auch an die Familien von Gefallenen gezahlt wird. Für viele Russen ist der „starke Mann“ ein zentrales Element ihrer nationalen Identität. Dies betrifft bei den älteren Russen konkret auch den Präsidenten Putin, der das Chaos der 1990er Jahre beendet hat. Der 9. Mai, der Tag des entbehrungsreichen Sieges über Deutschland mit 24 Millionen Toten im Zweiten Weltkrieg, wird in Russland als zentraler Feiertag begangen. Auch die Rolle von Stalin als Sieger über Hitler ist ein wiederkehrendes Thema. Zugleich unterscheiden die Russen jedoch klar zwischen der deutschen Politik und den Menschen in Deutschland und sind freundlich zu deutschen Touristen.
Russland und Deutschland: Tradition der Völkerverständigung
Abschließend wurde auf die historisch enge Verbindung zwischen Deutschland und Russland hingewiesen, die über 300 Jahre zurückreicht. So wird die Musik von Bach, Mozart und Beethoven weiterhin intensiv gepflegt. Trotz der aktuellen politischen Spannungen ist das Thema Völkerverständigung für viele weiterhin von großer Bedeutung.
Der Vortrag bot einen spannenden und differenzierten Einblick in die aktuelle Situation in Russland, insbesondere in den großen Städten. Zugleich wurde aufgezeigt, dass das Leben dort trotz der Sanktionen in vielen Bereichen seinen gewohnten Gang nimmt – mit neuen Herausforderungen, aber auch neuen Lösungen.